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ART im Ries - Goldener Stern


Die Gastherberge Goldener Stern, mehr als 500 Jahre wechselvoller Geschichte



Vorab: Es gibt nicht eine, sondern zwei Geschichten.

Die erste ist die der Wirtsgerechtigkeit, also der Erlaubnis, eine Gaststätte zu betreiben. - Diese lief ausgesprochen honorig ab. Das Schild - die Gerechtigkeit, der Name "Zum Stern" bzw. "Zum goldenen Stern" - ist innerhalb der Stadt Nördlingen gewandert. Das Wirtshaus hatte im Laufe der Jahrhunderte vier verschiedene Standorte.

Bereits im 15. Jahrhundert gab es die Gastherberge „Zum Stern".

Sie war eine der größten und angesehensten der Stadt. So nahm 1634 der böhmische König Ferdinand hier Quartier.

Vermutlich führte sie bereits seit 1464 Thomas (Thoman) Warbeck, verstorben 1486; danach nachweisbar um 1500 sein Sohn Konrad Warbeck, verstorben 1511. Beide waren gleichzeitig Herren des Rates der Freien Reichsstadt Nördlingen. Das Schild "Zum Stern" wurde 1539 unter dem Besitzer Michel Schäffen zum ersten Mal erwähnt.

Das Haus lag am heutigen Obstmarkt nahe der Hauptwache hinter dem Turm der St. Georgskirche in der Hallgasse 6 / Pfarrgasse 4. Die beiden Häuser bildeten eine Einheit.

Der Volksmund nannte das Gasthaus „Höllwirtschaftt", denn es lag am „abgebrannten Platz“, der„Höll´“. Offensichtlich befeuerte die auf den Platz zugehende Windgasse, die ihren inoffiziellen Namen wahrlich verdient, die Verbreitung von Bränden. Wind als Brandbeschleuniger war sehr gefürchtet. Nach dem verheerenden Stadtbrand von 1238 beschäftigte die Stadt gar einen "Windreiter", der - wegen möglicherweise herabfallender Ziegel und Balken - behelmt durch die Stadt ritt und nach ausbrechenden Feuern Ausschau halten musste. Danach, zumindest seit 1467, wurden Turmwächter angestellt.

Als "Höllwirth" wird aufgeführt: Georg Niklas (1551 bis 1605). Er war gleichzeitig Stadtrichter und Mitglied des Rates. Sein Sohn, ebenfalls mit Vornamen Georg, führte die Gastwirtschaft von 1610 bis 1630.

Seit 1618 nennt sich die die Herberge „Zum Goldenen Stern“.

Ein anschauliches und amüsantes Stimmungsbild liefert die "Geschlechtshistorie":
" Er (Georg) hatte 1628 mit seiner zwenten Frau Heurathstag im Stern, wobey es lustig zugieng, laut Konto verzehrt 162 fl. (Gulden), 8 fr. (Kreuzer)".
Er verstarb 1632. Seine Familie, zunächst seine Witwe Walburga, führte sie weiter.
Tochter Anna Maria Niklas (1617 - 1668) heiratete 1639 als dessen dritte Frau den ehemaligen Wirt der "Goldenen Gans" Michael Jörg (IV Michael, 1590 - 1668). Sie führten gemeinsam den Stern weiter. Michael Jörg hatte zudem wichtige öffentliche Ämter im Rat der Stadt, bei Gericht und in der Zunft der Weinschenken inne.
Wie die anderen genannten Sippen - die Warbeck, Niklassen, Rehlen/Rehlin und Roos - allesamt "ratsfähige Familien" / "Geschlechter" gehören auch die Jörgen zu angesehenen Familien der Stadt Nördlingen mit langer, weit zurück reichender Geschichte.

Das imposante Gebäude am Obstmarkt wurde bei der Beschießung der Stadt durch bayerische Artillerie gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges, 1647, zerstört und brannte ab. Die Wirtsleute übernahmen daraufhin zwei Jahre später, im Jahr 1649, die geschichtsträchtige "Goldene Sonne" am Marktplatz.
1663 wurde am Obstmarkt / abgebrannten Platz das Pfarrhaus errichtet, welches nun wiederum mit dem Gebäude, das heute das "Museum Augenblick" beherbergt, eine Einheit darstellt - zwei Doppelhaushälften, wenn auch unterschiedlichen Baustils.

1673 kaufte der "Rahts- und Gerichts Prokurator" Sigmund Rehlin (Rehlen, 1648 - 1687) das Haus in der Baldinger Gasse/Straße 19 - das heutige Sanitätshaus FEIX - und erwarb die Wirtsgerechtigkeit. Zeitweise diente es als Zunftlokal der Schneider und Tuchscherer. Bis 1920 war hier die Wirtschaft „Zum goldenen Stern“.
Im 18. Jahrhundert wird als "Sternwirth" aufgeführt der "Waffenschmidt" Johann Christoph (Christian) Roos, der 1783 heiatet und später die Wirtschaft an seinen Sohn Georg Baltas (Balthasar) Roos weiter gibt. Dieser verstirbt 1847. In seiner, im Nördlinger Wochenblatt erscheinenden Todesanzeige, schreibt seine Witwe Katharine "Zugleich bitte ich - da ich unser Geschäft unverändert fortführe - das meinem sel. Manne geschenkte Vertrauen auf mich zu übertragen; durch pünktliche, billige und reelle Bedienung werde ich dasselbe stets zu erhalten suchen." Später übergibt sie die Gaststätte ihrem Sohn Balthas. Am 11. März 1859 erscheint im o.g. Nördlinger Wochenblatt eine weitere Privatanzeige, in der sich dieser und seine Frau Margarethe anlässlich ihrer Hochzeit "für die erhaltenen schönen Geschenke" bedanken, verbunden mit der Anmerkung "Zugleich empfehle ich die von meiner Mutter übernommene Wirtschaft zum goldenen Stern einem hiesigen und auswärtigen Publikum aufs Beste, und sichere prompte Bedienung zu."
Ob Hochzeit oder Todesfall - Klappern gehört zum Handwerk.

Von 1925 bis 1929 wurde der Stern am Kohlenmarkt 5, in der sich heute die Salzgrotte befindet, weitergeführt.

Die zweite Geschichte ist die des Standortes im ehemals verruchten Gerberviertel
- Die hier auftretenden Personen sind weniger prominent, "kleine Leute".
Diese Geschichte ließ sich für uns lediglich bis ins 18. Jahrhundert zurück verfolgen.


Das Haus in der Mittleren Gerbergasse 6 *, baufällig und heruntergekommen, wurde abgerissen und mit unwesentlichen Veränderungen neu aufgebaut. Ein historisches Fenster, vermutlich aus der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts, "vierflügelig im Kreuzstock, mit ornamentierten Winkelbänder auf Stützkolben, Reiberversachlüssen" wurde zum Glück übernommen und blieb erhalten.

* Bis 1936 war die Stadt in vier Gebiete aufgeteilt und die Haus-Nr. lautete bis dahin C 107.

1929 bis 1966 wurde hier der "Goldene Stern" als einfache Schänke - mit Wirtsgarten gegenüber der Gasse - weitergeführt. Während des 3. Reiches verkehrten hier - sicherlich begünstigt durch die zentrumsnahe und doch recht versteckte Lage - Einheimische, die den Kontakt mit den Faschisten und deren Mitläufern meiden und sich möglichst unbehelligt treffen wollten.

Bevor der Standort 1929 Gastwirtschaft wurde, werden als Besitzer erwähnt:

Phillip Jakob, geb. 1710, dann der Metzger Sigmund Erdtlen, der es 1790 dem Weißgerber Daniel Ulrich und dieser ein Jahr später für 475 fl (Gulden) dem Lodweber Samuel Lemp verkauft.
Sowohl bei Sigmund Erdtlen als auch bei Samuel Lemp handelte sich um Notverkäufe. So versuchte Erdtlen vergeblich, sein Darlehen in Höhe von 200 fl (Gulden) mit Schweinshäuten abzutragen. Half Alles nichts; das Haus wurde verpfändet. Samuel Lemp erging es nicht besser.
1814 kauft die Witwe Hausmann aus der aus der "Concursmasse" des Samuel Lemp für 800 fl. (Gulden) und verkauft es ein Jahr später dem Lodweber Johann Melchior Beyschlag.
Kurz zuvor wird es bereits als zweistöckiges Wohnhaus bezeichnet, zusammen mit dem vorgelagerten Gärtchen an der Eger. Bis 1850 bleibt das Haus im Besitz der Familie Beyschlag. Die Liste der darauf folgenden Besitzer ist lang. Sie waren von Beruf Rotgerber, Beinringler und Leimsieder, Obermälzer, eine Wärterin, ein Schneider und ein Schneidermeister, mehrere Tagarbeiter und Tagarbeiterinnen, Gerber und eine Händlerin.
1927 kaufen Hermann und Katharina Thrän das Haus, die später als die ersten Pächter des Gasthauses "Zum goldenen Stern"genannt werden.

Zu allen Verkäufen gehörten und gehören bis heute, neben dem Gebäude auch das Höflein, der Brunnen darin (inzwischen leider verschüttet und zubetoniert) sowie Fischereirechte (urkundlich „Aschergerechtigkeit"; der Name ist abgeleitet von der Esche, einem Fisch).

Nun kommen beide Geschichten zusammen.

1929 wandert das Schild vom Kohlenmarkt in die Mittlere Gerbergasse 6 bzw. C 107. Als Pächter des "Goldenen Sterns" werden genannt: 1929 der gerade erwähnte Hermann Thrän und 1931 Johannes Schneider. Ein Jahr zuvor hatte die Bierbrauereibesitzerin Maria Lehner das Haus käuflich erworben. Seitdem blieb das Haus - bis zum Verkauf an uns - im Besitz der familiengeführten und traditionsreichen Anker-Brauerei (Firmengeschichte 1608 - 2016).

Wirtsleute nach Kriegsende waren:

die Familien Schneider, Steinhart, Albrecht; dann folgten Blaha, Hitzler und zuletzt das Ehepaar Berger. Frau Berger führte danach noch jahrzehntelang den Gasthof Roter Löwe, in der Stadt als Hennabruck bekannt.

In den 50er Jahren schätzten auch die Amerikaner, die in Nördlingen stationiert waren, die Wirtschaft - nicht zuletzt als Kontaktbörse zum weiblichen Geschlecht.

Auch später ging es im „Stärer“, wie die Kneipe im Volksmund genannt wurde, offensichtlich hoch her. Uns wurde von ausgelassenen Feiern und langen Nächten berichtet.

Leider wurde der Wirtsgarten mit der Schließung der Gastwirtschaft 1966 abgegeben.

Zwei Jahre später gehörte das Haus noch der Anker-Brauerei und ging in Privatbesitz der Eigentümerfamilie über. In diese Zeit fällt die Nutzung der Kneipe als Königreichssaal der Zeugen Jehovas. - Eine wahrhaft wechselvolle Geschichte des Hauses, die uns interessanterweise lediglich mündlich, wenn auch mehrfach, überliefert wurde. Material dazu fanden wir nicht.

Auf dem Haus liegt bis heute noch der Name und damit verbunden, ein – allerdings ruhendes – Schankrecht.

Wir erwarben es im Jahre 2003 als "ehemaliges Gasthaus mit zwei Wohnungen" und betrieben von 2004 bis 2018 hier das größere Gästehaus "ART im Ries - Goldener Stern" mit vier exclusiven Ferienwohnungen , vielen netten und interessanten Gästen, Begegnungen und Erlebnissen. Zehn Jahre lang - 2008 bis 2018 - war unsere Wohnung "RiesArt" als einzige in der historischen Altstadt mit vier Sternen klassifiziert. Möglicherweise brachte dies der Gastherberge ein wenig von seinem alten Glanz zurück.
Und da Tradition verpflichtet - s. das Jahr 1628 - wollen wir es auch weiterhin an Lustigkeit nicht fehlen lassen.

Ende 2018 zogen wir selber in den "Stern", führen das Haus "abgespeckt" weiter und freuen uns weiterhin auf Gäste in unserem kleinen, aber feinen Appartement im Erdgeschoss.

Diese Entscheidung war unser großes Glück - der "alte Stern" hätte Corona nicht überlebt. Mit ihm lägen wir historisch in einer Linie mit Erdtlen und Lemp - bei Pleiten, Pech und Pannen.

Quellen:
Gustav Wulz, Die Nördlinger Wirtschaftsgerechtigkeiten, in: Einwohnerbuch für Stadt und Landkreis Nördlingen, 1956 Häuserbuch Stadtarchiv Nördlingen (unveröffentlicht)
Bernd Vollmar u.a., Denkmäler in Bayern. Stadt Nördlingen, München 1998
Michael Buhlmann, Nördlingen in alter Zeit, Vertex Alemanniae, St. Georgen 2005
Adressbücher der Stadt Nördlingen 1806 bis 1982
Verzeichnis der sämtlichen Hausbesitzer der Königl. Bayerischen Stadt Nördlingen, Nördlingen 1806
Daniel Eberhard Beyschlag, Beyträge zur Nördlingischen Geschlechtshistorie, Nördlingen 1802/03

Wir danken den Herrn Willem A. Jörg, Dr. Wilfried Sponsel und Siegfried Thum auf`s herzlichste für ihre tatkräftige Unterstützung.
Oktober 2020, Karin & Peter Schmidt




Das Gerberviertel

Das Gerberviertel lag ehemals vor den Toren der Stadt. Es war ein „verruchtes” Viertel, da die Gerberei den Bürgern im wahrsten Sinne des Wortes „stank“. Heute ist es der wohl romantischste Ortskern der Stadt.

Das Ries

Das Ries entstand vor 15 Millionen Jahren durch den Einschlag eines Großmeteoriten, der mit einer Geschwindigkeit von gut
70 000 km/h auf die Erde aufschlug. Dieser Krater mit einem Durchmesser von ca. 25 km ist heute einer der am besten erhaltenen und erforschten Meteoritenkrater der Erde.

Das Rieskrater-Museum bietet eine Simulation des Meteoriteneinschlags und interessantes Anschauungsmaterial über die geologische Entwicklung der Umgebung.

Bereits um das Jahr 85 n. Chr. entstand ein römisches Kastell mit einer Siedlung, die jedoch im Jahre 259/260 bei der Eroberung des heutigen Süddeutschland durch die Alemannen unterging.

Im 6. und 7. Jahrhundert lässt sich eine alemannische Besiedlung nachweisen. "Nordilinga" wird im Jahr 898 zum ersten Mal urkundlich als karolingischer Königshof erwähnt.

Nördlingen

Die Stadt Nördlingen wurde 1215 freie Reichsstadt, erhielt Marktrechte und Freiheiten und war dank der verkehrsgünstigen Lage bis etwa 1650 ein bedeutendes Handelszentrum. Die erste Stadtmauer wurde gebaut, deren Verlauf noch heute im Grundriss - u.a. an der Vorderen Gerbergasse - zu sehen ist. Mit dem Aufkommen des Seehandels geriet die Stadt wirtschaftlich ins Abseits. Die Entwicklung stagnierte. Welch ein Segen für uns! So wurde die Stadt nicht modernisiert, sondern “nur” die Bausubstanz erhalten.

Ein historischer Wendepunkt im Dreißigjährigen Krieg war die Schlacht bei Nördlingen im Jahre 1634, in der die schwedisch-protestantischen Kräfte erstmals entscheidend von den Kaiserlich-Habsburgischen Truppen geschlagen wurden.

Nördlingens mittelalterliche Altstadt ist von einer komplett erhaltenen Stadtmauer umgeben. Diese hat 5 Tore, 16 Türme und 2 Bastionen. Der Wehrgang ist noch vollständig erhalten und kann begangen werden. Ein guter Einstieg in die Stadterkundung, ebenso wie die Turmbesteigung.

Das Wahrzeichen Nördlingens ist der 90 m hohe Kirchturm der St.-Georgs-Kirche (gotischer Baustil), im Volksmund "Daniel" genannt. Dieser Name geht auf die biblische Figur Daniel zurück: “Und der König erhöhte Daniel und (...) machte ihn zum Fürsten über das ganze Land.”

Der Turm der St.-Georgs-Kirche ist der weltweit letzte, der bis heute ständig von einem Türmer besetzt ist. In früheren Zeiten stand er in ständigem Rufkontakt mit den Wachen auf der Stadtmauer. Heute erschallt nachts in der Zeit von 22 bis 24 Uhr halbstündlich vom Turm: „So G'sell So!“ Die Bürger machen sich einen Spaß darauf und rufen teils das gleiche zurück.

Die Legende

Zum Ruf des Türmers wird folgende Legende erzählt: 1440 versuchte Graf Hans von Wallerstein Nördlingen zu erobern. Um unbemerkt in die Stadt gelangen zu können, bestach er einen Türmer. Der hielt ein Tor offen. Als eine Webersfrau in der Nacht zum Bierholen ging, entdeckte sie das sich öffnende Stadttor, woran sich gerade ein entflohenes Schwein rieb. Daraufhin schalt sie lauthals das Schwein und den verräterischen Türmer: “So G'sell so!”

Alle drei Jahre wird die Geschichte der ehemals Freien Reichsstadt lebendig, wenn die Bewohner das Stadtmauerfest feiern. Neben alter Handwerkskunst werden Ritter- und Reiterspiele des Mittelalters geboten. Die Stadtmauerfeste fanden bei herrlichstem Septemberwetter statt.

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